Klinische Studien

Wie kann ich an onkologischen Studien teilnehmen?

Krebs ist eine so schwere Erkrankung, die noch dazu sehr viele Menschen betrifft, dass jedes Jahr Tausende von Forschern fieberhaft an neuen Medikamenten und Therapien arbeiten. Diese Krebsforschung braucht aber natürlich nicht nur Laborbedingungen, sondern echte Patienten. Daher gibt es zahlreiche klinische Studien, die neue Medikamente und Therapien mit freiwilligen Testpersonen (Probanden) testen. Deren Erfahrungswerte fließen dann in weitere Forschungsarbeiten mit ein, oder aber bestätigen den Nutzen des verwendeten Medikamentes.

Was sind klinische Studien bei Medikamenten?

Klinische Studien sind Versuchsreihen mit neuen und bewährten Medikamenten und mit freiwilligen Patienten.

Der Test der Unbedenklichkeit und natürlich die Langzeitfolgen können nur unter realen Bedingungen getestet werden, weswegen klinische Studien für die Zulassung eines Medikaments gesetzlich vorgeschrieben sind. Diese wiederum unterliegen aber sehr strengen Regeln und Auflagen, unter welchen Bedingungen und mit welchem Vorwissen sowohl zu den einzelnen Patienten als auch zum Wirkstoff selbst diese Studie stattfindet.

Was sind die Bedingungen für klinische Studien?

Die Bedingungen für Klinische Studien sind sehr genau vorgegeben, beispielsweise wie oft der Proband untersucht werden muss, wie hoch Abweichungen gewisser Werte sein dürfen, welche Nebenbedingungen erfüllt sein müssen, wie der Gesamtzustand des Patienten zu Beginn der Studie mindestens sein muss und so weiter. Die Bedingungen sind unterschiedlich und richten sich stets nach der Art der Studie.

Welche Arten von klinischen Studien gibt es?

Grundsätzlich unterscheiden sich klinische Studien nicht nur ihrer Art nach voneinander, sondern auch nach ihrer Phase.

Phase 1: Zunächst wird mit wenigen Einzelpersonen eine annehmbare Dosierung getestet und das Medikament auf Nebenwirkungen untersucht. Studien der Phase 1 finden gewöhnlich nur mit gesunden, freiwilligen Probanden statt. Bei schweren Erkrankungen oder bei zu erwartenden schwerwiegenden Nebenwirkungen trifft das nicht zu. Hier können auch Probanden teilnehmen, bei denen es keinerlei weitere Therapieoptionen gibt. Ziel der Phase 1 sind sichere Erfahrungen und zuverlässige Aussagen über das Verhalten des Medikaments treffen zu können.

Phase 2: Hier wird das neue Medikament auf Sicherheit und Wirksamkeit bei tatsächlich von der zu therapierenden Erkrankung untersucht. Es werden Optimierungen hinsichtlich der Dosierung vorgenommen. Ebenso können hier bereits kurzfristig auftretende Nebenwirkungen beurteilt werden.

Phase 3: In dieser Phase wird das zu prüfende Präparat nun einem deutlich größeren Patientenkreis zur Verfügung gestellt. Das Hauptziel hier wiederum ist, alle bisherigen Erfahrungen und Werte zu überprüfen und zu bestätigen. Weiterhin treten oftmals seltenere Nebenwirkungen eines Wirkstoffs zutage, welche ebenfalls dokumentiert werden müssen. In der 3. Phase werden die Studien auf ihre Wirksamkeit und der Sicherheit des Prüfpräparats mit der gängigen Standardtherapie oder, falls diese nicht existieren sollte, mit einem Placebo in einer Kontrollgruppe verglichen. Nach der erfolgreich verlaufenen Phase 3 kann ein Prüfpräparat als Arzneimittel zugelassen werden. Die kontinuierliche Prüfung ist hier jedoch noch nicht beendet.

Phase 4: Nach der Marktzulassung eines Arzneimittels wird dieses weiter untersucht. Hier geht es vorrangig um die Kombination mit anderen Arzneimitteln, Langzeitnebenwirkungen und sehr selten auftretende Nebenwirkungen.

Bekannte Medikamente gegen andere Symptomatiken

Neben neuen Medikamenten, die per Studien getestet werden, erfolgen Studien auch dort, wo bereits bekannte Medikamente gegen andere Symptomatiken eingesetzt werden. Prominentes Beispiel ist vielleicht das als rezeptfreies Schlafmittel vertriebene Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid. Dieses erlangte durch die enormen Nebenwirkungen, wie die vielen Fehlbildungen, traurige Berühmtheit. Heutzutage aber erlebt es als Krebsmedikament unter streng regulierten Bedingungen eine neue Renaissance. So zeigte sich Thalidomid in neueren klinischen Studien entzündungs- und tumorhemmend und beugt noch dazu der Neubildung von Gefäßen vor.

Ärzte dürfen die Medikamente auch für nicht explizit ausgewiesene Anwendungsbereiche einsetzen und verschreiben. Dieser auch als “Off-label”-Gebrauch bezeichnete Einsatz fällt unter die Eigenverantwortung von Ärzten. Unter bestimmten Bedingungen können Medikamente auch im “Off-Label”-Gebrauch von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden. Wenn hingegen diese Anwendungsgebiete auch offiziell im Beipackzettel vermerkt werden sollen, muss der Pharmahersteller durch klinische Studien nachweisen, dass eine Indikationserweiterung möglich ist.

Hinweis: Statistische Erhebungen sind keine klinischen Studien, sondern epidemiologische Erhebungen; Patienten werden ausschließlich befragt, bekommen aber keine neuen Medikamente.

Wie läuft eine klinische Studie ab?

Phase 1
Ziel: Aussagen über Sicherheit und Machbarkeit
Testpersonen: Gesunde
Größe: 20-80 Personen
Dauer: wenige Wochen

Phase 2
Ziel: Aussagen über Dosierung und Einnahme
Testpersonen: Betroffene
Größe: 80-800 Personen
Dauer: wenige Monate

Phase 3
Ziel: Aussagen über Wirksamkeit und Nutzen
Testpersonen: Betroffene
Größe: 100-3.000 Personen
Dauer: wenige Jahre

Phase 4, das Medikament ist jetzt zugelassen
Ziel: Auswertung und Langzeiterfahrung
Testpersonen: Betroffene
Größe: 500-5.000 Personen
Dauer: mehrere Jahre

Jede klinische Studie hat ein festgelegtes Durchführungsprotokoll. In diesem wird festgelegt, welche Voraussetzungen für die Studie gelten, wie viele Patienten teilnehmen, welche Laufzeit die Studie haben wird und viele weitere Faktoren. Detailliert wird auch aufgeschrieben, nach welchem Schema getestet wird. Denn nicht alle Patienten bekommen die gleiche Dosis oder das neue Medikament. Erst durch die unterschiedlichen Gruppen von Patienten kann man ein aussagekräftiges Ergebnis erzielen.

Die randomisierte Studie

Eine besondere Form der Studie ist die randomisierte Studie, also ein Test nach dem Zufallsprinzip. Hier werden die Patientengruppen nicht ausgewählt, sondern wahllos verteilt. Am besten sogar so, dass der Patient selber nicht weiß, in welcher Gruppe er ist. Hier ist das Ziel, möglichst wenig Beeinflussungsmöglichkeiten von außen zu haben. Natürlich sind die Probanden im Vorhinein mit der Teilnahme an jedweder Gruppe und dem Ablauf einverstanden. Falls sich die Wirksamkeit besonders bei einer Gruppe herausstellt, werden selbstverständlich auch die anderen Teilnehmer mit dieser Wirkweise behandelt.

Die “blinde” Studie

Innerhalb der Therapie hat auch der Glaube an die Wirkungsamkeit des Medikaments einen großen Einfluss auf die Behandlung und deren Erfolg. Man bezeichnet dies auch als Placebo-Effekt. Um diesen Einfluss beim Test eines neuen Medikamentes auszuschließen, werden alle Angaben und Informationen dem Patienten gegenüber unkenntlich gemacht und neutral gehalten. Der Patient ist zwar einverstanden, den neuen Wirkstoff einzunehmen und damit zu testen, weiß aber nicht, ob er ihn auch tatsächlich bekommt. Man unterscheidet hier “blind” und “doppelblind”. Bei letzterem weiß es selbst der Arzt nicht.

Wie nimmt man an einer klinischen Studie teil?

Jede klinische Studie beschreibt und definiert Kriterien, die als Voraussetzung für die Teilnahme gelten. Das betrifft unter anderen Vorbehandlungen, den körperlichen Allgemeinzustand, die Leberwerte, die Ernährungssituation, die Art der Krebserkrankung, das Stadium und natürlich Lebensalter und Geschlecht.

Zum einen soll es den Patienten abbilden, dem man in Zukunft beispielsweise durch das neue Medikament als Zielpatienten hat. Andererseits soll es Patienten schützen, die zu sehr leiden könnten und diese Studie nicht durchstehen würden.

Dadurch kann es z. B. zu einer Verschiebung allein der Lebensalter von Probanden zu späteren Zielpatienten von durchschnittlich mindestens 12 Jahren kommen. Das heißt, dass die Erfahrungen in der klinischen Studie mit oftmals konstitutionell besser aufgestellten Personen gemacht wurden als den Patienten, welche tatsächlich in der Praxis dieses Medikament verschrieben bekommen werden.

Als Patient teilnehmen

Für die ersten Phasen einer Studie kommen nur wenige Probanden infrage.

In den nächsten Phasen gibt es natürlich einen wesentlich größeren Behandlungsradius, weswegen es auch mehr Therapieplätze gibt. Fachgesellschaften, denen die meisten Onkologen angeschlossen sind, empfehlen je nach Studie und Erkrankungsart die Teilnahme. Das heißt, dass jeder Patient sich an seinen Onkologen wenden und erfragen kann, ob er an einer Studie teilnehmen könnte. Dieser wird entscheiden, ob man infrage kommt und wie aussichtsreich, sinnvoll und machbar das ist. Wenn man sich nicht sicher ist, ob sein behandelnder Arzt wirklich alle relevanten Studien kennt, kann man sich auch eine Zweitmeinung von anderen Onkologen oder einem Krankenhaus einholen.

Welche Risiken und Vorteile erwarten die Patienten?

Klinische Studien durchlaufen eine Reihe von Testverfahren, bevor sie überhaupt für Patienten zugelassen werden. Dazu gehören Testungen in computersimulierten Umgebungen, Versuche mit einzelnen Zellen, wie auch streng kontrollierte tierexperimentelle Studien.

Dennoch können letztlich nur Erprobungen im menschlichen Organismus zeigen, welche bisher unbekannten Neben- und Wechselwirkungen und Langzeitwirkungen bei Menschen auftreten. Daher muss beispielsweise das Medikament erst einmal seinen Nutzen nachweisen. Abhängig davon, in welcher Phase sich die Testreihe befindet, ist auch die Höhe des Risikos.

Grundsätzlich gilt, dass man alle Risiken sehr gut mit seinem Arzt besprechen sollte und sich  immer klar sein muss, dass kein Wundermittel zu erwarten ist. Ein großer Vorteil im Gegensatz zu einer herkömmlichen Medikation ist jedoch, dass man als Patient noch  intensiver betreut und beobachtet wird.

Ziel der klinischen Studien

Alle an Studien teilnehmenden Ärzte, Zentren und Kliniken haben viel Erfahrung im Umgang mit Tumorpatienten. Daher ist neben der Risikoabschätzung auch die Zielformulierung ein wichtiges Thema. Das kann das längere Überleben bei fortgeschrittenen Erkrankungen sein, eine höhere Schmerzfreiheit oder gar der Rückgang des Tumors. Alle diese formulierten Ziele und auch Risiken sollten immer mit den Wünschen und Hoffnungen des Patienten abgeglichen werden. Deshalb ist es ratsam, mit seinem Arzt sehr ehrlich über die Hoffnungen zu sprechen, die man in das neue Medikament oder das neue Verfahren der klinische Studie setzt.

Kosten

Wie bei jeder Behandlung ist bei den Kosten die eigene Krankenkasse beteiligt. Alle Kosten jedoch, die über das übliche Maß an Betreuung, Medikation oder Kontrolle hinausführen, das können auch Sonderfahrten zum Zentrum sein, werden gesondert abgerechnet. Man sollte sich vorher genau erkundigen, wie die Kostenverteilung ist und welche Ausgaben auf einen zukommen. In der Regel erwarten den Patienten keine Extrakosten, im Gegenteil, es erwartet ihn eine intensivere Betreuung ohne Mehrkosten.

Fazit

Eine klinische Studie ist die gesetzlich vorgeschriebene Testphase eines neuen Therapieansatzes, sei es ein Medikament, eine Operation oder andere therapeutische Neuerungen. Diese Testphase untergliedert sich in verschiedene Phasen. Jeder Patient hat die Möglichkeit, sich bei einer klinischen Studie teilzunehmen, sofern er den geforderten Kriterien der Studie entspricht. Wie sinnvoll und nützlich das ist, entscheidet immer die individuelle Situation. Wer wissen möchte, welche Studien für ihn infrage kommen, sollte gemeinsam mit dem Arzt verschieden Register durchgehen und sich nach der aktuellen Lage erkundigen. Oft hilft hier auch eine Zweitmeinung anderer Onkologen oder Kliniken.

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